Ist Kunst Flucht aus der Realität oder Aufarbeitung der Wirklichkeit?
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Jürgen Küster hat als Teil unserer Blogparade: Fragen zur Kunst eine wunderbare Frage gestellt. Er fragt auf seinem Blog:
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Ich habe mit Interesse die bisherigen Diskussionsbeitrage von Barbara Lübbehusen, Klaus Harth, Oliver Kohls, Tobias, Stefan Weber, Helen Königs, Armin Rohr, Gaby Richter-Eggen, Susanne Haun, … gelesen. Es werden zum Teil Philosophen und Kulturpolitischen Aspekte diskutiert. Jürgen Küster hat neben der o.g. Frage in der Überschrift gleich noch eine Reihe weiteren Fragen veröffentlicht, auf die bisher in dieser Detailierung noch keiner eingegangen ist. Also versuche ich einmal mich an einem Teil dieser Fragen, aus meiner ganz persönlichen pragmatischen Sicht.
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Arbeiten wir sinnfrei?
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Es sind oft die Kleinigkeiten am Wegrand, die ich entdecke, Fotografiere oder male. Egal ob ich den Löwenzahn, ein paar Disteln, ein Ansichten unserer Dörfer & Städte oder ein paar Möwen an der Ostsee, die Kraniche im Herbst oder Frühling male, macht es für mich Sinn. Ich freue mich, dass ich es mir gewahrt habe, in der Hast des Alltags, die kleinen Dinge des Alltags entdecken zu können, mich darüber zu freuen und diese auf das Blatt oder die Leinwand zu bringen und beim Malen oder später in Ausstellungen mit anderen Menschen zu teilen. Hier steckt keine Überlegung zur gesellschaftlichen Veränderung hinter. Aber ist es sinnfrei? Ich glaube nicht. Denn bei solchen Entdeckungen finde ich auch die vorhandene Kunst auf dem Flughafen Tegel und wenn das Inforadio rbb dieses Thema wieder aufgreift, kann es nicht sinnfrei sein. Oder?
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Arbeiten wir dann nur auf uns selbst bezogen?
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Wenn man die obigen Sätze zu der Frage: Arbeiten wir sinnfrei? liest, kann man schnell auf den Gedanken kommen, dass ich nur auf mich bezogen arbeite, meine Motive in stiller „Zurückgezogenheit“ entdecke und male, meine Projekte und Ausstellungen alleine aushecke, Wissen horte,…. Nun hierbei würde ich verkümmern. Ich brauche den Austausch mit anderen, das gemeinsame Arbeiten, die Freude etwas von anderen zu lernen und anderen helfen zu können. Hier habe ich mir schon die Frage gefallen lassen müssen, warum ich all mein Wissen egal ob über die Malerei, das Marketing oder Blogparaden 😉 freigiebig teile. Ist dieses auf sich selbstbezogen, auch wenn ich hoffe, einen Teil, einen anderen Teil irgendwann zurückzubekommen?
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Ist kreatives Schaffen ein Mittel der Psychohygiene?
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Manchmal schon. Denn für mich ist Malen oft ein Mittel der Entspannung. Ich kann oft, nach einem vollgepackten, stressreichen Tag abschalten und Malen. So sind am Abend oft in Hotels einige meiner besten Aquarelle entstanden. Die Last des Tages, alle unerledigten Dinge fallen von mir ab und wie von selbst ergeben sich die Dinge auf dem Blatt. Solange dieses so ist, ist das Malen, auch Psychohygiene, gegen Stress, burn out u.a.
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Sind wir alleine mit uns?
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Ich hoffe nicht. Ich arbeite gerne mit anderen zusammen. Egal ob ich mit anderen Menschen zusammen male, Ausstellungen organisiere, Projekte spinne, meine Bilder zeige, ich möchte meine Arbeit, meine Kunst, meine Bilder mit anderen teilen, andere einbeziehen. Besonderen Spaß hatten wir im Rahmen unserer Ausstellung zum Flughafen Berlin Tegel. Gemeinsam mit Christiane Weidner und Susanne Haun hatten wir eine Idee ausgeheckt und umzusetzt, wie wir Kinder mit einbeziehen können, wie wir andere wie z.B. die Firma Hahnemühle, die Humboldt Bibliothek dazu gewinnen können, sich ebenfalls für die Kinder zu begeistern.
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Spielen wir nur?
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Ich spiele gerne. Nicht nur beim Flugzeugbasteln mit Kindern ;-). Ein Teil meiner Bilder gelingt dann am besten, wenn diese spielerisch ohne große Anstrengungen bei Malen entstehen. Man sieht diesen Bildern dann die Leichtigkeit des Seins an. Ich hoffe, dass mir dieses bei einem Teil meiner Jazz Aquarelle oder meiner spielerischen Auseinandersetzung mit den Sternzeichen gelungen ist. Diese Bilder sollen einfach nur Freude an der Musik vermitteln oder mit einer lustigen Bildidee ein Lächeln bei dem Betrachter hervorrufen. Doch bis sich diese spielerische Lockerheit in den Bildern einstellt, war Arbeit notwendig, viele Versuche und Idee, die in den Papierkorb wanderten.
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Andere Bilder oder Ausstellungen erfordern ein ernsthafteres Herangehen. Zum Beispiel meine Bilder, die zum Flughafen Berlin – Tegel entstanden sind. Hier sind meine Erlebnisse viele Jahre Dienstreisetätigkeit eingeflossen, genauso die Überlegungen auf den Materialien des Flugzeugbaus wie Leinwand und Aluminium zu malen und ein wenig Geschichte der Luftfahrt einzufangen. Nun sind eine Reihen von Bildern entstanden, die durch aus mehr sind als lustige Idee für eine Interpretation eine Sternzeichens. Aber auch hier konnte ich nicht umhin, scheinbar spielerische Elemente in meine Bilder zu bringen. Was macht das Papierflugzeug auf dem Weg zur Landebahn?
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Sind wir Unterhalter, Alleinunterhalter? Die künstlerischen Exoten?
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Bin ich Unterhalter, Alleinunterhalter? Ja 😉 Die meisten Bilder entstehen erst einmal für mich. Das Malen verschafft mir Entspannung, Freude, Selbstbestätigung der Arbeit. Dann möchte ich meine Bilder anderen Menschen zu zeigen, andere Menschen in unsere Ausstellungen zu locken, mich mit ihnen über meine Bilder unterhalten, sie für meine Aquarelle begeistern. Hierbei möchte ich aber kein Exot sein, sondern ein Mensch, der mit beiden Beinen im Leben steht. Aber wie sehen mich hierbei andere Menschen?
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Und wie stehen wir zu unserer Verantwortung für das Ganze?
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Mit der Gesamtheit meines Tuns bin ich erst einmal für mich und meine Familie verantwortlich. Wenn ich Künstler sein will, muss ich die Frage für mich klären, wie will ich leben und wovon !!! Wenn ich dann mit anderen zusammen arbeite, egal ob mit einer Galerie oder anderen Partnern muss ich ein verlässlicher Partner sein. Wenn ich als Ausstellungsmacher und Kurator neun andere Künstler einlade, bin ich gegenüber diesen Künstlern verantwortlich, dass sie gute Bedingungen vorfinden und muss die Medienarbeit machen, die örtlichen Partner koordinieren. Letztendlich bin ich gegenüber den Gästen, dem Publikum verantwortlich, dass es die bestmögliche Ausstellung oder ein gutes Projekt wird.
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Wenn es Aufarbeitung der Wirklichkeit ist, wohin führt es dann?
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Ist Kultur immer eine Aufarbeitung? Ist Kunst nicht oft „nur“ eine Darstellung der persönlich erlebten Wirklichkeit, gefärbt mit eigenen Wünschen, Erfahrungen, Vorstellungen? Ich möchte „nur“ alltägliche Dinge einfangen und in meinen Bildern darstellen, den Blick anderer Menschen auf diese Dinge lenken, vielleicht mit dem Betrachter die Begeisterung für ein Motiv teilen. Wohin es führen kann? Vielleicht führt es bei anderen Menschen dazu, dass diese ihre Umwelt, ihre Mitmenschen bewusster wahrzunehmen. Aber eigentlich sind wir schon bei der nächsten Frage
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Was verändert dieses Tun wirklich? Wird Kunst Teil der gesellschaftlichen Prozesse? Sind wir somit politisch?
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Ich freue mich wenn Malschüler Teile der Welt neu entdecken, das Sehen verändern, wenn Menschen gemeinsam kreative Arbeiten erleben. Ich freue mich riesig, wenn wir im Rahmen einer Ausstellung mit Kindern in einer Bibliothek Papierflieger bauen. Die Kinder, die Erzieher und die Bibliothekare eine Ausstellung, Künstler, die Bibliothek aus einer anderen Sicht begreifen können. Alle waren erstaunt über die Möglichkeiten, die mit einmal drei Künstler anboten und dieses in einer Zeit, wo immer weniger Geld und Zeit für die Bibliotheken und die Freizeitangebote von Kindern zur Verfügung steht. Ich freue mich Kulturpolitikern, Vereinen und Verantwortlichen für Kulturmarketing vorzumachen, wie man mit Initiative, Eigenverantwortlich und wenigen Mitteln erfolgreiche Ausstellungen im öffentlichen Raum organisieren kann.
Und ich freue mich über jede engagierte Unterstützung und Zusammenarbeit mit Kulturpolitikern, Vereinen, Partner 😉
Ist dieses etwas Alltägliches, Selbstverständliches oder wird man so schon politisch aktiv, in dem man zeigt, dass statt eingefahrenen Wege, Forderungen nach mehr Geld aus Landestöpfen oft mit mehr Eigeninitiative und Eigenverantwortung klasse Dinge voranzubringen sind? Oder stört dieses, weil es die Praxis von Kulturförderung auf den Kopf stellt?
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Ist Kunst politisch?
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Nun wenn ich Löwenzahn male, will ich nicht sofort auf Probleme des Umweltschutzes oder einer nachhaltigen Landwirtschaft aufmerksam machen. Ich mag auch nicht, wenn man mir solche Diskussionen unterschiebt. Wofür ich verantwortlich bin, ist ein gutes Aquarell zu malen 😉
Wenn ich mehr will, dann sage ich es, selbstbestimmt, zum Beispiel, wenn es um die Blühstreifen an den Feldern für die Bienen geht oder die Wahlbeteiligung oder die Notwendigkeit bei den Theatern und Kultureinrichtungen in Mecklenburg Vorpommern zu sparen oder in Diskussionen, wenn Kultur- und Kunstschaffenden verlangen, dass der Staat oder die Gemeinde sie ernährt. Mit welchem Recht? Wo ist der Unterschied zu einem Kunstschmied, einem Instrumentenbauer, einer Kitaerzieherin, … die auch hart für ihr Geld arbeiten müssen. Kunst ist genauso politisch oder unpolitisch wie jede andere Tätigkeit.
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Produzieren wir gesellschaftliche Werke? Werden wir Teil einer Gemeinschaft mit ähnlichen Absichten?
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Hm…. Ich lebe und arbeite in Sanitz bei Rostock, nahe der Ostsee in Mecklenburg Vorpommern, in einer Gesellschaft, die ich mir zu großen Teilen ausgesucht habe. Ich bin zum Teil Produkt dieser Gesellschaft und gestalte diese Gesellschaft zu einem kleinen bescheidenen Maßstab mit. Ich kann mir die Menschen aussuchen, mit denen ich arbeite und lebe. Freunde, Bekannte, Partner und Kollegen können sich aussuchen, ob sie mit mir zusammen arbeiten, Zeit verbringen, meine Bilder kaufen wollen. So lange sie dieses tun bin ich Teil dieser Gesellschaft und meine Bilder, meine Ausstellungen gesellschaftliche Werke. Oder?
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Was ist unter dem Begriff Kunst zu verstehen?
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Kunst ist für mich ein kreativer Prozess, die Auseinandersetzung und die Darstellung mit einem Thema, einem Motiv. Nicht mehr und nicht weniger 😉 Kunst lebt für mich durch ihre Vielfalt und Toleranz.
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Wie stehen Sie zu diesen Fragen? Gehe ich zu profan an die Themen heran. Oder stehe ich halt nur fest mit beiden Beinen im Leben. Ich freue mich auf Ihre Meinung.